Logistikunternehmen J. Müller: Warum der Braker Hafen systemrelevant für Deutschland ist (2024)

Der Braker Hafen ist ein zentraler Umschlagpunkt für Futtermittel in Deutschland. Das Logistikunternehmen J. Müller erklärt aktuelle und künftige Herausforderungen für den Standort (abofrei).

Brake - Die Kräne und vor allem das große Getreidesilo von J. Müller im Braker Hafen sind bei gutem Wetter von vielen Orten der Wesermarsch aus sichtbar. Was das Logistikunternehmen dort täglich umschlägt, lässt sich für Außenstehende noch am besten von der anderen Weserseite aus verfolgen, denn dort, wo Handelsschiffe anlegen und ihre Ladung löschen oder neue bekommen, ist Sperrgebiet. Bei einem Ortsbesuch der Redaktion machte das Unternehmen aber bereitwillig alle Tore auf und erklärte, wie das Hafengeschäft aktuell läuft – und warum der Standort systemrelevant für Deutschland ist.

203 Jahre J. Müller

Der Hafenlogistiker ist ein Familienunternehmen von 1821, das aktuell in der sechsten Generation geführt wird. Die Belegschaft der Standorte in Brake und Bremen zählt rund 550 Mitarbeiter, das Unternehmen verzeichnet einen Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro. An den Terminals von J. Müller werden pro Jahr 6,3 Millionen Tonnen Stück- und Schüttgut umgeschlagen.

Allein in 2023 bewegte das Unternehmen in Brake zu Bremen zusammen rund 2,6 Millionen Tonnen Futtermittel, 920.000 Tonnen Getreide, 1,6 Millionen Tonnen Holz und Zellulose sowie rund 700.000 Tonnen Eisen- und Stahlprodukte. 80 Prozent der Stahlprodukte erreichen Brake über die Schiene. Die Silos von J. Müller mit Gesamtkapazitäten von 600.000 Tonnen bilden die größte zusammenhängende Anlage dieser Art in Europa.

Ständiges Auf und Ab der Märkte

„Wir mussten uns ständig neu erfinden“, erklärte Geschäftsführer Uwe Schiemann im Gespräch, denn die Entwicklung der globalen Märkte ist volatil. Vor 20 Jahren, so erinnert er sich, boomte beispielsweise der Holzmarkt, speziell mit Holzpellets, „aber als wir dafür neue Hallen gebaut hatten, brach der Markt plötzlich weg.“ Auch Getreide, das einen erheblichen Anteil des Jahresumschlags von J. Müller ausmacht, schwankt regelmäßig in Preis und Verfügbarkeit, genau wie Zellstoff – der durch die zunehmende Digitalisierung der Medienlandschaft aktuell weniger Nachfrage erfährt. Ein Resultat dieses Auf und Abs ist laut Schiemann, dass der Hafenlogistiker breit aufgestellt ist, um auf möglichst viele Herausforderungen mit einer Lösung reagieren zu können.

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Uwe Schiemann ist Geschäftsführer bei J. Müller in Brake. Bild: Jan Meier

Das Wahrzeichen von J. Müller

Das zeigt sich besonders an den Silos für Futtermittel, Mais und anderes Getreide, einer über Jahrzehnte gewachsenenGroßanlage. Schiemann: „Als wir vor zehn Jahren das neue Silo gebaut haben, war das ein großer Sprung.“ Denn die wabenförmigen Kammern der Anlage, die beim Bau in 2013 über 22 Millionen Euro kostete, verschwenden keinen Speicherplatz, wie runde Kammern es zwangsläufig tun, wenn sie aneinander stehen – die es im Braker Hafen auch gibt. Direkt nebenan steht eine bis heute genutzte Lagerhalle aus den 1970er-Jahren. Alles, was aus Körnern besteht, kann getrennt gelagert und bewegt werden, was allein aus Sicherheitsgründen nötig geworden ist. „Früher war beispielsweise Futtermittel kein Produkt, bei dem Qualität eine große Rolle gespielt hat“, weiß Schiemann. „Heute wird aber besonders hier sehr engmaschig kontrolliert.“ Das Logistikunternehmen ist nach eigenen Angaben der mittlerweile sicherste Hafen für diese Produktgruppe in Deutschland, da jede Charge durchleuchtet wird, bevor sie ihren Weg zu nachgelagerten Unternehmen und schließlich Bauernhöfen im ganzen Land findet. „Das ist systemrelevant“, betonte der Geschäftsführer.

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Getreide und Futtermittel machen den Hauptumschlag im Braker Hafen aus – von hier aus beziehen so viele Verarbeiter und letzten Endes Landwirte Ware, dass der Standort systemrelevant ist. Bild: Lehmkühler Fotografie

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Dritter Liegeplatz ist notwendig

Aber die Werkzeugkiste von J. Müller muss weiter wachsen, wenn der Standort Brake zukunftssicher bleiben soll. Ein Teil davon ist der 2009 gebaute Niedersachsenkai im Norden des Hafens, an den eigene Lagerhallen und 183.000 Quadratmeter Freifläche angrenzen – hier wird aktuell ein dritter Liegeplatz für Schiffe geplant. „Auch wenn der Hafen manchmal leer aussieht, kommen wir mittlerweile an unsere Limits“, erklärte Schiemann, der die Erweiterung der Liegekapazitäten deshalb als extrem wichtig einstufte. Darauf aufbauend sei die seit nunmehr Jahrzehnten diskutierte Weservertiefung sogar alternativlos für den Braker Hafen: „Wir haben aktuell nur Zugriff auf rund 30 Prozent der Schiffe weltweit, die anderen können uns nicht anlaufen.“ Von Handelsschiffen mit 50.000 Tonnen Ladekapazität seien es sogar nur ein Prozent. Und selbst das genannte Drittel könne Brake oft nicht mehr im vollgeladenen Zustand erreichen, so Schiemann – was für Reedereien dann Zwischenhalte in vorgelagerten Häfen mit verbundenen Extrakosten bedeutet.

Weservertiefung sogar alternativlos

Dass die Anpassung der Weser-Fahrrinne, wie der Geschäftsführer das Vorhaben präzisiert, ökologische Auswirkungen haben wird, sei unumstritten. „Kritiker sehen aber oft nur einen Teil des Ganzen“, sagte er – denn selbst wenn auf die Vertiefung der Weser von aktuell 11,9 Meter auf knapp 14 Meter im Abschnitt Unterweser-Nord nicht mehr erfolgen würde, werde die Vertiefung im Mündungsbereich der für den Standort Bremerhaven in jedem Fall kommen. „Und das wird Auswirkungen auf die Tide und den Salzgehalt bei uns haben“, so Schiemann, der deshalb Brake in Abstimmung mit allen betroffenen Akteuren rund um die Weser für größere Schiffe öffnen möchte. Denn über die Belegschaft von J. Müller hinaus seien auch viele örtliche Unternehmen darauf angewiesen, dass hier künftig Hafenwirtschaft auf hohem Niveau stattfinden kann.

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Blick auf den Niedersachsenkai (Hintergrund) und das große Freiflächenlager: Damit hier auch künftig vollbeladene Schiffe anlegen können, braucht es laut J. Müller die Weservertiefung. Bild: J. Müller

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Schmerzhafter Ausfall der Eisenbahnbrücke

Eine sehr unmittelbare Herausforderung für das Unternehmen war – und ist – dagegen die Zerstörung der Eisenbahnbrücke bei Elsfleth im Frühjahr. Denn dadurch war der Braker Hafen für sechs Wochen nicht mehr per Schiene erreichbar. Schiemann: „Wir mussten auf einmal neue Umschläge suchen. Manche Güter mussten doppelt umgeschlagen werden, von Bremen aus per Lkw dann zu uns und auf ein Schiff.“ Weil nicht jede Fracht einfach in der Handhabe und Verladung ist, habe das viele technische Einzellösungen erfordert – am Ende kostete der Brückenausfall das Unternehmen aber auch Kunden. Wie hoch die Einbußen bisher sind, wollte Schiemann nicht beziffern, nur dass „die Auswirkungen bis heute spürbar sind“.

Neuer Hafenkran für Brake

An Investitionen spart J. Müller trotzdem nicht. Voraussichtlich Anfang August bekommt das Unternehmen, das vor drei Jahren den kompletten Kranbetrieb im Braker Hafen von der Hafengesellschaft Niedersachsen Ports erwarb, einen neuen Kran. Das mobile Liebherr-Modell ist nach Herstellerangaben das größte in Deutschland – und kostet rund 7,5 Millionen Euro.

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